Selbsthass und Kulturrelativismus sind im Westen weit verbreitet. Oft aus kollektiver Scham für unsere historischen Erblasten. Manchmal verbergen sich dahinter aber auch nur Antisemitismus und anti-amerikanische Klischees.
Ich war noch nie in Saudi-Arabien. Nun hat man ja auch von Orten eine Vorstellung, die man nicht aus eigener Erfahrung kennt. Am Nordpol war ich auch noch nie und bin mir trotzdem sicher, dass es dort ziemlich kalt ist. Dementsprechend hellhörig wurde ich, als kürzlich ein Ehepaar, das viele Jahre in Saudi-Arabien verbracht hatte, erwähnte, in diesem Land „eigentlich auch Toleranz gelernt zu haben“. Toleranz in Saudi-Arabien? Ausgerechnet? Habe ich da irgendwas verpasst?
Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie. Die 27 Millionen Einwohner leben zum größten Teil in den Städten. Mehr als 6 Millionen davon sind ausländische Gastarbeiter. Mekka und Medina beherbergen die beiden heiligsten Stätten des Islam und sind für Nicht-Muslime völlig gesperrt.
Touristenvisa werden nur unter strengen Auflagen vergeben, zB nicht an ledige Frauen unter 45. Eine Einreise erfordert im Normalfall die schriftliche Einladung eines Saudis, der dem Staat für das korrekte Verhalten des Einreisenden bürgt. Sind im Reisepass israelische Stempel, wird die Einreise in der Regel verweigert und eine Geldstrafe in Höhe von rd. 900 Euro verhängt. Mit einem israelischen Pass ist keine Einreise möglich, der Versuch wird mit der gleichen Summe bestraft.
Der Monarch ist Staatsoberhaupt, Regierungschef und Hüter der beiden heiligen Stätten in einem. Er untersteht nicht einmal den Gesetzen, die er selbst erlässt und besitzt die absolute Vollmacht über die Polizei, die islamische Religionspolizei, den Geheimdienst und das Militär. Parteien, Opposition, Streiks und Gewerkschaften sind verboten.
Frauen müssen sich mit dem Hijab verhüllen. Sie unterliegen der gesetzlichen Vormundschaft eines männlichen Verwandten oder ihres Ehemanns und dürfen das Land ohne dessen Erlaubnis nicht verlassen. Das Lenken von Kraftfahrzeugen ist ihnen strikt untersagt. Erst seit 1966 dürfen Frauen Schulen besuchen, inzwischen stellen sie die Mehrheit der Studenten. Allerdings müssen sie ihre Vorlesungen am Bildschirm verfolgen, da Frauen im öffentlichen Raum keinerlei Kontakt zu nicht-verwandten Männern haben dürfen. Bis 2001 durfte eine Frau keinen eigenen Pass besitzen, bis 2008 nicht alleine in einem Hotel wohnen.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2008 von „Reporter ohne Grenzen“ belegt Saudi-Arabien Platz 161 von 173.
Der Wahhabismus (Salafismus), eine dogmatische Richtung des sunnitischen Islam, ist offizielle Staatsreligion. Das öffentliche Praktizieren anderer Religionen ist strikt verboten. Schiiten werden nicht als Muslime anerkannt. Wer sich zu den Aleviten, Ahmadiyya, Drusen, Jesiden oder Bahai bekennt, wird bestraft. Die Apostasie, der Abfall vom Glauben, wird mit der Todesstrafe geahndet, die auch vollstreckt wird. Selbst Gastarbeitern und Diplomaten ist es bei Strafe verboten, einen Gottesdienst zu feiern oder eine Taufe oder Krankensalbung zu empfangen. Die Errichtung von Kirchen oder Synagogen ist verboten. Verstoßen Christen gegen das Missionierungsverbot, werden sie im besten Fall des Landes verwiesen. Pech haben „Missionare“ aus unbedeutenderen Ländern wie den Philippinen oder Kenia, die werden inhaftiert und manchmal auch hingerichtet.
Die Rechtsprechung folgt der Scharia. Auch die Menschenrechte stehen unter dem Vorbehalt der Gesetze der Scharia. Auf die Schändung des Koran, Gotteslästerung oder den Abfall vom Islam steht die Todesstrafe, die auch gegen Minderjährige verhängt wird. 2007 ist ein Ägypter zum Tod verurteilt worden, weil er Kopien des Koran in den Waschräumen einer Moschee vergessen hatte. Auch „Zauberei“ wird mit dem Tod geahndet. 2007 wurden 16 aufsässige Mittelschüler zu insgesamt 5.800 Peitschenhieben verurteilt. Jeweils 7.000 Peitschenhiebe fasste ein homosexuelles Pärchen aus. Ein 19-jähriges Mädchen kam mit 90 Peitschenhieben davon – die hat sie allerdings dafür ausgefasst, dass sie erpresst, entführt und mehrfach vergewaltigt worden war.
Aber zurück zum ehemaligen Gastarbeiterpärchen: Saudi-Arabien ist ein schönes Land. Man kann das Leben dort genießen. Schöne Sonnenuntergänge gibt es und die Menschen sind so freundlich und respektvoll. Es kommt halt immer auf die eigene Wahrnehmung an. Unsere Asylwerber haben gar keine Rechte. Außerdem braucht man sich über den Terrorismus nicht zu wundern, wenn man sieht, wie sich die amerikanischen Soldatinnen aufführen. Springen in ärmellosen T-Shirts herum. Null Respekt vor der Tradition. Überhaupt die Amis, die sollen sich nicht aufregen, die haben ja selbst ihr Guantánamo. Das eigentliche Problem ist ja, dass sie Milliarden für die Juden ausgeben. Die könnten sich doch sonst gar nicht dort halten. Was haben die denn überhaupt für ein Recht, dort zu sein, da war ja vorher auch schon jemand. Was heißt, man hätte die Flüchtlinge integrieren sollen? Warum hätten die Araber jemand aufnehmen sollen, der schon ein Zuhause hat? Die Deutschen wollen ja auch ihre Häuser in Schlesien zurück. Wo ist denn da der Unterschied?
Ich habe gar nichts verpasst. Alles bleibt wie es ist.
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