Das islam-faschistische Regime in Iran ist nicht reformierbar, weil weder die Verfassung der Islamischen Republik noch der Koran selbst mit Demokratie und Menschenrechten vereinbar sind.
von NASRIN AMIRSEDGHI
Meine Sicht auf die aktuellen Aufstände im Iran beruht auf drei Thesen, die im Wesen des Islam und der iranischen Verfassung begründet sind:
- Der Islam und insbesondere die Verfassung der islamischen Republik Iran, die im Kontext des Koran begründet wird, ist mit Demokratie und Menschenrechten nicht vereinbar.
- In diesem System ist eine Reform der Rechte von Individuen, vor allem von Frauen und Minderheiten, nicht möglich. Solche Systeme (islamische bzw. iranische) sind in keiner Weise reformierbar.
- Der Koran als religiöse und gesellschaftspolitische Norm für Muslime stimmt in zentralen Fragen nicht mit den allgemein anerkannten Menschenrechten und Grundfreiheiten überein.
Die Menschenrechte sind ein universelles Recht des Einzelnen
Die UN-Charta ist begründet auf dem Glauben an die Unteilbarkeit und Universalität der Menschenrechte, der Gedanken- und Meinungsfreiheit, an die Gültigkeit jedes Gesetzes für alle in gleicher Weise, an die Festigung der Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder Religion.
Der UN-Menschenrechtsrat soll denjenigen Staaten, die für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, den Zugang in die Institutionen der UN verwehren. Ironischerweise haben aber dort, im UN-Menschenrechtsrat, heute ein Drittel der Sitze Mitgliedsstaaten der „Organisation islamische Konferenz“ inne, die eine vernünftige Diskussion über Menschenrechtsverletzungen in ihren Ländern ständig verhindern, da für diese Länder nur die „Scharia“ als Gottesrechts-System gelten dürfe.
Ungeachtet dessen basiert eine demokratische Rechtsstaatlichkeit, die ohne Partizipationsmacht der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen unvorstellbar ist, auf folgenden Prinzipien: auf eine auf Dauer angelegte objektive Wert- und Rechtsordnung, sowie auf dem Naturrecht und den Menschenrechten, die durch unabhängige Gerichte gewahrt werden, um die Bürger vor Willkür und Subjektivität der Religion und der Ideologie zu schützen und die Gleichheit vor dem Gesetz zu gewährleisten.
Die Rechtsstaatlichkeit geht so weit, dass auch das Handeln des Staates selbst und seiner Institutionen, Machtorgane und Machtträger, vor Gericht überprüfbar ist. Der Staat steht demnach im Dienst und für das Wohl der Bürger, nicht umgekehrt. Der Rechtsstaat und seine demokratisch gewählten politischen Instanzen haben den Auftrag, das Recht, die öffentliche Ordnung und die objektive Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu schaffen und zu bewahren. So wird eine friedliche Koexistenz zwischen den Bürgern und dem Staat durch Mechanismen wie Transparenz und Begründungspflicht allen staatlichen Handelns, die Gesetzmäßigkeit der Exekutive und der Judikative, das Rückwirkungsverbot, die Grundrechte, die Gewaltenteilung, die Überprüfbarkeit politischer Entscheidungen, die Verlässlichkeit und der Vertrauensschutz gegenüber staatlichem Handeln, die Toleranz, die Trennung von Religion und Staat, und vieles mehr gewahrt.
Die Scharia ist das Recht Allahs
In den islamischen Ländern und in unserem Fall Iran herrschen Staatssysteme, die sich auf 1400 Jahre alte Glaubensgrundsätze gründen, die seitdem ohne jede Veränderung fortdauernd praktiziert werden. Das islamische System ist viel mehr als nur eine Religion. Es ist eine Staatsideologie: Islamideologie eben. Denn hier ist der Gegenstand der Ideologie der Islamglaube selbst. Islam ist gleich Islamismus. In diesem System sind das Heilige Buch Koran und die islamischen Gesetze die Säulen des politischen und gesellschaftlichen Geschehens. Der Islam kennt keine private Sphäre. Das Private ist politisch und der Staat ist private Angelegenheit, der alles nur im Dienste des Glaubens geregelt sieht. Beide sind nur Allah und seinen Gesetzen (der Scharia) gegenüber verpflichtet.
Nach der Definition des Koran sind Menschen nicht fähig, „Recht“ von „Unrecht“ auf dieser Erde zu unterscheiden. Die muslimische Gemeinschaft (Umma) ist nur berechtigt, im Dienste „Allahs“ zu handeln. „Allah“ ist das Maß aller Dinge. Allein Allah wählt seinen Vertreter für die „Umma“. Und das sind – zu allererst – der Prophet „Muhammad“ (als Allahs Gesandter) und seine Nachfolger. Nach deren Tod sind es dann die Geistlichen, die die Staatsordnung nach Allahs Gesetz in die Tat umsetzen müssen. Folglich hat Allah seine Wahl vor 1400 Jahren schon getroffen und sein System für die Bewohner der Erde vorgeordnet. Hier muss der islamische Staat in Stellvertretung Allahs handeln und agieren. Insofern ist der Islam keine Religion im üblichen Sinne, sondernd eine Staatsform mit globalem Anspruch.
Die Scharia als einzige gesetzgebende Gewalt bedeutet das islamische Recht; dies ist im Koran als Wort Gottes vorgeschrieben. Es sind keine Gesetze, die durch demokratische Prozessdiskussionen (nämlich von Menschen) für ihre gesellschaftliche Ordnung vereinbart werden, sondern sie stammen von „Allah“, und sie sind „eins“ (im Sinne von unteilbar), „ewig“, unfehlbar und nicht veränderbar. Der Mensch ist in diesem Gesetz „Sklave Gottes“ (´Ab dul-Allah) und kein Individuum, das selbstverantwortlich handeln kann und darf. Deshalb kennt der Islam keine individuellen Menschenrechte. Das Wesen des kollektivistischen Ideals im Islam ist die Aufopferung des einzelnen Individuums zugunsten Allahs, was zur Lebensaufgabe und zum politischen Ziel erhoben wird. In diesem Allah-Weltbild ist der Mann ein Sklave und die Frau die Sklavin von Allahs Sklaven.
Die Scharia schreibt nicht nur die private Lebensführung vor, bis hin zu Kleidung und Liebesleben, sondern auch die Führung der Staatsgeschäfte, des Rechtswesens und der Wirtschaft. In der Scharia finden nur gläubige Muslime Schutz; alle anderen sind entweder Schutzbefohlene minderen Rechts („Dhimmi“) oder haben als Ungläubige („Kuffar“) keine Existenzberechtigung, sind somit zur Vernichtung verurteilt.
Die „Islamische Republik Iran“
Nach diesem Dogma ist das iranische Staatssystem aufgebaut; die Verfassung beginnt mit Sure 57:25 des Koran[1]:
Wir haben unsere Gesandten mit den deutlichen Zeichen gesandt und mit ihnen das Buch und die Waage herabkommen lassen, damit die Menschen für die Gerechtigkeit eintreten.
In der Verfassung wird zu allererst der Sinn des Staats definiert:
„Aus der Sicht des Islam geht der Staat nicht aus dem Klassendenken oder der Hegemonie von Individuen bzw. Gruppen hervor, sondern er ist die Umsetzung des politischen Ideals eines in Religion und Denkweise gleich ausgerichteten Volkes, das sich organisiert, um bei dem geistigen und ideologischen Entwicklungsprozess den Weg zu seinem letztendlichen Ziel – den Weg hin zu Gott – zu ebnen.“ [2]
Die Islamische Republik ist eine Ordnung, die auf folgenden Glaubensgrundsätzen beruhen soll:
- Die Einheit [tauhid] Gottes (la elaha ell allah; es gibt keinen Gott außer Gott), Seine alleinige Entscheidungsbefugnis und Gesetzgebung sowie die Notwendigkeit der Ergebenheit in Seinen Willen;
- Die göttliche Offenbarung und ihre grundlegende Bedeutung für das Formulieren von Gesetzen;
- Die Auferstehung und ihre maßgebende Rolle beim Entwicklungsprozess des Menschen hin zu Gott;
- Die Gerechtigkeit Gottes in Schöpfung und Gesetzgebung;
- Imamat (Führungsauftrag[3]) und seine ständige, grundlegende und immerwährende Führungsrolle im Fortbestand der Islamischen Revolution;
- Ehre und Würde des Menschen und seine mit Verantwortung verbundene Freiheit vor Gott.
Durch die iranische Verfassung wurde ein Gottesstaat gegründet, der im Namen Allahs und des Koran die absolute Herrschaft der Obersten Rechtsgelehrten (Welaiat-e Faghih), der Revolutionsführer, des Expertenrates (aus 86 Mullahs) und des Wächterrates als Zentrum der Macht (aus sechs Geistlichen und sechs weltlichen Machthabern) garantiert. Es gibt keine Gewaltenteilung. Legislative, Exekutive und Judikative stehen unter der Aktionsmacht des religiösen Führers. Der wird auf Lebenszeit vom Expertenrat gewählt. Alle politischen und religiösen Entscheidungen stehen unter seiner Prüfungs- und Genehmigungsmacht, sogar die Entscheidung über die Präsidentschaftskandidaten. Sein Wille und seine Worte sind Eins und ewig … Ungeachtet dessen, ob das Volk will oder nicht …
Mit diesem Programm werden den Menschen unter dem iranischen Regime die elementarsten Rechte nicht nur verweigert, sondern wird dieses Unrecht auch noch gesetzlich festgeschrieben. Seit dreißig Jahren hat sich im Iran ein theokratisches Regime etabliert, das Frauen einen klar begrenzten Lebensraum zuweist. Die größten Leidtragenden nach den Frauen sind Minderheiten und Andersdenkende. Repression, Zensur, öffentliche Hinrichtungen, Steinigungen, mittelalterliche Strafen wie Glieder-Amputationen und vieles mehr an unbeschreibbaren Brutalitäten gehören zum Alltag des Gottesstaates.
Nun – wenn wir all das vergleichen mit der Verfassung einer Rechtsstaatlichkeit, die vom Wesen des Menschen und des Individuums als „Maß aller Dinge“ ausgeht, jedoch nicht von Gott bzw. Allah, wird die große Diskrepanz deutlich zwischen demokratischen und totalitären Verhältnissen, wie sie in der Verfassung der islamischen Republik Iran herrschen. Solche Staatssysteme mit ihrem aggressiven Dogma und ihrer Gewaltbesessenheit sind im Kern menschen- und frauenfeindlich, rassistisch, antijüdisch, antizionistisch, antiwestlich und antidemokratisch. In diesem System ist unabhängiges Denken verboten. Insofern sind im Islam die europäischen Errungenschaften wie Gleichheit, uneingeschränkte persönliche Freiheit, Meinungsfreiheit, Freiheit der Presse und Künste, tabu.
Alle aussortierten Präsidentschaftskandidaten (sowohl die früheren wie Rafsandjani oder Khatami und die jetzigen wie Ahamdinedjad, Rezai, Karrobi und Mussawi) haben im Wesentlichen die gleiche Agenda. Es ist das Programm der islamischen Republik. Sie sind Zöglinge von Chomeini und haben die Diktatur der islamischen Herrschaft von der ersten Stunde an mit aufgebaut und sind ihr treu geblieben, sonst wären sie nicht vom Wächterrat bestätigt worden. Sie alle haben Blut an den Händen. Als Mussawi Ministerpräsident war, wurden in nur drei Monaten im Sommer 1988 schätzungsweise 30.000 politische Gefangene hingerichtet und in einem Massengrab begraben. Das ganze System ist von den Wurzeln her verdorben.
Bei den aktuellen Unruhen geht es längst nicht mehr um den Wahlbetrug. Auch ohne ihn herrschten in Iran keine demokratischen Verhältnisse. Mussawi ist nur eine Projektionsfigur für das jahrlange Leid: die Bürger haben die Brutalität des Regimes zum Erbrechen satt.
Trotz des massiven Gewalteinsatzes, der Zensurverschärfung, sowie der Tötungen, der willkürlichen Verhaftungen und dem Verschwinden von 275 Protestierenden innerhalb der letzten acht Monate, schreien die Menschen aller Schichten lauthals auf den Straßen: Na Rahbar, na Mussawi (Weder Führer noch Mussawi); Marg bar Djomhurie eslami (Tod der islamischen Republik) und Azadi bara-ie Iran (Freiheit für Iran).
Seit dem Tod einer Studentin am 20. Juni 2009 haben die Proteste einen neuen Namen bekommen. Ihr Name ist nun NEDA und nicht mehr Mussawi. Neda bedeutet „Stimme“, „Aufruf“, „Appell“, „Echo“. Sie ist in den persischen Lexika als das „Echo der Freiheit“ verewigt. Es ist das Echo von dreißig Jahren Demütigung, Unterdrückung, Repression, Folter, Steinigung, Peitschenhieben, Hinrichtungen, Geschlechter-Apartheid, Zwangsverschleierung, Armut, Prostitution, kultureller Dekadenz und einem religiös-faschistisch totalitaristischen Regime.
[1] Vgl. Die iranische Verfassung in: http://www.eslam.de/manuskripte/verfassung_iri/praeambel%20.htm#Einleitung
[2] Ebd.
[3] Das Imamat bzw. der Führungsauftrag ist die vierte Grundlage im Stamm der Religion [usul-ad-din]. Es beschreibt die Tatsache, dass nach Vollendung der Religion durch Prophet Muhammad (s.) die Offenbarung [wahy] nur durch solche Menschen unverfälscht und fehlerfrei bewahrt werden kann, die selbst auch fehlerfrei und rein sind. Gemäß Überlieferung des Propheten Muhammad (s.) sind das seine Ahl-ul-Bait (a.).
Nasrin Amirsedghi ist eine in Mainz lebende deutsch-persische Publizistin.
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