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Israel in der Doppelmühle

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Die „Free Gaza“ Flotte hatte militärische Ziele, keine humanitären. Die geplante Provokation war ein voller Erfolg für die Hamas und ihre Sympathisanten. Dabei war Israel von Anfang an in einer lose-lose Situation.

Der Reihe nach. Am 23. Mai setzt sich die internationale „Free Gaza Solidaritätsflotte“ mit 6 Schiffen von Griechenland und der Türkei aus Richtung Gaza in Bewegung. An Bord sind 10.000 Tonnen Hilfsgüter und jede Menge pro-palästinensischer Aktivisten, darunter zwei deutsche Bundestagsabgeordnete der LINKEN und der schwedische Schriftsteller Henning Mankell, der Israel erst im Vorjahr die völkerrechtliche Legitimität abgesprochen hat.

Eine Hilfsflotte für Gaza ist naturgemäß nur ein PR-Coup. So erfreulich manche Güter für die Einwohner von Gaza sein mögen, wirklich nötig sind sie nicht. In den letzten eineinhalb Jahren sind über Israel mehr als eine Million Tonnen Hilfsgüter nach Gaza geliefert worden, das ist fast eine Tonne pro Einwohner. Jede Woche rollen hunderte Trucks mit mehr als 15.000 Tonnen Ladung über die israelischen Grenzübergänge. In Gaza gibt es ein Schwimmbad mit olympischen Ausmaßen und ein Luxusrestaurant. Die Märkte sind reich bestückt, die Bewohner gut genährt, niemand muss hungern. Es gibt Schokolade aus der Türkei, deutsche Bonbons, italienische Pralinen. Das meistverkaufte Medikament ist Viagra. Was es nicht durch die israelischen Grenzkontrollen schafft, wird durch die Tunnels von Rafah aus Ägypten geschmuggelt. Autos, Treibstoff, Süßigkeiten, Drogen, Prostituierte. Und natürlich Waffen. Die Einwohner von Gaza leben unter widrigen Umständen, aber von einer humanitären Katastrophe kann nur dort eine Rede sein, wo die Hamas selbst sie verursacht.

Von Anfang an ist klar, dass es den Aktivisten nicht um Hilfe für Gaza geht: „Bei dieser Mission geht es nicht darum, humanitäre Güter zu liefern, es geht darum, Israels Blockade zu brechen“, wird das Angebot Israels abgelehnt, die Waren in Aschdod zu löschen und die Hilfsgüter nach der obligatorischen Prüfung nach Waffen und anderen verbotenen Gütern auf dem Landweg nach Gaza zu bringen. Auch der Vorschlag der Familie des vor Jahren von der Hamas entführten Gilad Shalit, sich bei der israelischen Regierung dafür einzusetzen, dass die Schiffe in Gaza anlegen dürfen, wenn sich die Aktivisten im Gegenzug bei der Hamas dafür einsetzten, Gilad Lebensmittel und Briefe zukommen zu lassen, wird brüsk zurückgewiesen.

Eine zentrale Rolle bei der Organisation der „Solidaritätsflotte“ kommt der türkischen, radikalislamistischen IHH zu, die neben ihren Hilfsaktivitäten die Hamas und Teile des globalen Dschihad unterstützt. Das größte Schiff, die Mavi Marmara, fährt unter türkischer Flagge. Bei der Einweihungszeremonie in Istanbul feiern unter anderen ein Führer der jordanischen Muslimbruderschaft, Hamam Said, und zwei Top-Terroristen der Hamas, Sahar Albirawi und Mahmad Tzoalha. An Bord werden islamistische Schlachtgesänge gesungen, berichtet Al-Jazeera einen Tag vor der Konfrontation mit der IDF: „Oh Juden, die Armee Mohammeds wird über euch kommen!“ Im selben Bericht erklärt eine Aktivistin prophetisch, warum die Mission in jedem Fall ein Erfolg werden wird: „Zurzeit sehen wir zweierlei glücklichem Ausgang entgegen: Märtyrertum oder Landung in Gaza.“

Israel lässt keinen Zweifel daran, dass es ein Durchbrechen der Blockade nicht dulden und die Schiffe unter allen Umständen stoppen werde, notfalls mit Gewalt. Zuvor hatten Schiffe der „Free Gaza“ Bewegung fünf Mal passieren dürfen. Dieses Mal kam das, wohl wegen der Größe der Flotte und der gesteigerten medialen Aufmerksamkeit, nicht in Frage. Noch Stunden vor dem Einsatz wiederholt das israelische Militär immer wieder das Angebot, die Hilfsgüter in Aschdod zu löschen und auf dem Landweg nach Gaza zu schaffen. Das Angebot wird unter lauten „Dschihad, Dschihad!“ Rufen mit einem herzhaften „Fuck You“ abgeschmettert.

Am frühen Morgen des 31. Mai entern israelische Truppen die Schiffe. Offensichtlich hatte das israelische Militär nicht mit massivem Widerstand gerechnet und den Einsatz eher wie eine robuste Polizeiaktion geplant. Die Soldaten tragen Paintball-Pistolen, leichte Waffen mit Plastikmunition. Für den Notfall sind sie mit Schusswaffen ausgerüstet, die sie nur einsetzen dürfen, wenn ihr Leben bedroht ist. Auf fünf Schiffen kommt es zu keinen nennenswerten Zwischenfällen.

Als sich Soldaten aus Hubschraubern auf die Mavi Marmara abseilen, stürzen sich „Friedensaktivisten“ mit Eisenstangen und Messern auf sie. Die pro-palästinensischen Kämpfer sind zahlenmäßig weit überlegen. Sie prügeln brutal mit langen, massiven Eisenstangen auf die Soldaten ein, stechen einen nieder, schleudern einen anderen auf ein ca. 10 Meter tiefer gelegenes Deck. Es gelingt ihnen, einen Israeli zu entwaffnen und mit dessen Waffe auf seine Kameraden zu schießen. Die Soldaten haben Angst gelyncht zu werden. Als sie sich scharfem Beschuss ausgesetzt sehen, eröffnen sie das Feuer. Am Ende sind 7 Soldaten verletzt (Schuss- und Stichwunden, Knochenbrüche), 2 davon schwer. Die Aktivisten beklagen 9 Tote und 45 Verletzte.

Noch bevor die Flotte in Aschdod eingelaufen ist, setzt die zu erwartende Welle der Empörung ein. Regierungen sind wahlweise schockiert, erschüttert oder bestürzt. Die Beurteilung des Einsatzes reicht von unverhältnismäßig bis abscheulich. Palästinenserpräsident Abbas spricht von Massaker und einem abscheulichen Verbrechen, die Hamas ruft zur Intifada vor israelischen Botschaften auf. In vielen Städten kommt es zu antiisraelischen Demonstrationen, oft auch zu gewalttätigen Ausschreitungen. Weder in Deutschland noch in Österreich ist eine einzige offizielle Stimme zu hören, die sich mit Israel solidarisch erklärt.

Die deutschsprachigen Medien berichten gewohnt „israelkritisch“. Als Beispiel sei hier nur ein Kommentar von Gudrun Harrer im STANDARD angeführt: „Im Grunde sind wir alle moralisch mitschuldig. Wer hat sich denn noch um den Gazastreifen gekümmert, an der freundlichen Mittelmeerküste gelegen, eine Bevölkerung zwischen dem inneren Hammer der Hamas und dem äußeren der israelischen Absperrung, kollektiv bestraft für das falsche Wahlergebnis und für die Präsenz von Extremisten nicht nur von Israel, sondern von der internationalen Gemeinschaft?“

Um soviel Stuss in einen Satz zu packen, muss man schon Nahost-Expertin sein. Keine tatsächliche oder vorgebliche Flüchtlingsgruppe wird von der Welt so sehr gehätschelt wie die Palästinenser. Um die Einwohner von Gaza kümmern sich unzählige NGOs und UN-Behörden, deren Mitarbeiter sich gegenseitig auf die Zehen steigen. Fast jeden Tag wird irgendwo auf der Welt eine Solidaritätskundgebung für Gaza organisiert. Auch wenn der Wahlkampf der Hamas mehr mit einem Putsch als mit westlichen Demokratievorstellungen gemeinsam hatte, haben die Bewohner doch mehrheitlich eine korrupte Bande von Terroristen gewählt, deren oberstes Ziel die Vernichtung Israels ist. Die internationale Gemeinschaft hat sie dafür aber keineswegs bestraft, sondern finanziert ganz im Gegenteil ihren Lebensunterhalt. Und zwar so erfolgreich, dass der Gaza-Streifen mit 5,03 Kindern pro Frau eine der höchsten Fruchtbarkeitsraten der Welt hat. Die Blockade als kollektive Strafe für ein falsches Wahlergebnis zu bezeichnen ist eine bösartige, bewusste Irreführung der Leserschaft. Ist diese Maßnahme doch von Israel und Ägypten nur ergriffen worden, um nach dem jahrelangen Beschuss Israels mit zehntausend Raketen den Waffennachschub wenigstens einigermaßen einzudämmen. Kein Raketenterror, keine Blockade. So einfach wäre das.

Woran wir im Grunde alle moralisch mitschuldig sind, ist etwas ganz anderes. Die voreingenommene Berichterstattung über den Nahost-Konflikt, die einseitige Fixierung der UNO auf Israel, eine internationale Staatengemeinschaft, die ständig den Druck auf eine einzige Partei des Nahostkonflikts erhöht  – das alles mag dazu beigetragen haben, dass Israel aus Rücksicht auf die internationalen Reaktionen nicht entschlossen genug vorgegangen ist. Natürlich ist die Operation völlig schief gelaufen. Warum waren die israelischen Dienste über die Kampfbereitschaft der Aktivisten im Unklaren? Warum war das Kommando nicht besser auf die Angriffe vorbereitet?

Doch lassen wir uns nicht täuschen. Hätte Israel die Aktion von vornherein mit angemessenen Mitteln durchgeführt und beispielsweise Blendgranaten und Tränengas eingesetzt, wären die Toten noch am Leben und die Verletzten noch gesund. Aber die internationalen Reaktionen wären mindestens so vernichtend ausgefallen. Entrüstet wäre der völlig unangemessene Gewalteinsatz gegen vermeintlich harmlose Friedensaktivisten angeprangert worden. Vielleicht sogar noch lauter als jetzt, wo wenigstens jeder sehen kann, wie brutal die Aktivisten über die Soldaten hergefallen sind.

Das ist das wahre Dilemma Israels. Wehrt es sich nicht, wird es von seinen Gegnern überrannt und vernichtet. Wehrt es sich, wird es von der ganzen Welt verurteilt. In Wahrheit hatte die Solidaritätsflotte das Spiel schon gewonnen, als sie in See gestochen ist. „Wer sich nicht wehrt lebt verkehrt“ gilt eben nicht für Juden. Genau das ist im Grunde unser aller Schuld.

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Weiterführende Links:

Backgrounder zur Gaza Flottille mit allen Hintegrundinformationen, herausgegeben von der israelitischen Kultusgemeinde in Wien

Die nützlichen Idioten der Islamofschisten, Leon de Winter

Botschaft des Staates Israel in Berlin

Kontinuierliche Berichterstattung: heplev

Videos vom Begleitschiff, vom Hubschrauber, an Bord (Messer), an Bord (Schießerei)

Aufgebrachte Narrenschiffe, Lizas Welt

Die dubiosen Passagiere, Boris Kálnoky (WELT)

Linke Gaza-Aktivisten schützen radikale Islamisten, Clemens Wergin (WELT)

Ein Schiff voller Narren, Richard Herzinger (WELT)

The Moscow Times, über Spirit of Entebbe (ganz tolle Analyse!)

Interview mit Prof. Giegerich (Inst. f. Öff. Recht, Uni Kiel), STANDARD

Interview mit Leon de Winter, Tages Anzeiger

Israel obeyed international law, Alan Dershowitz (Daily News)

Auszug aus dem o.a. Kommentar in Deutsch, Alan Dershowitz (STANDARD)

Volle Regale, leere Kassen, Gil Yaron (Achse des Guten) über das Leben in Gaza

Showdown auf der Mavi Marmara, Bahamas

Die Banalität des Guten, Lizas Welt

Those troublesome Jews, Charles Krauthammer (Washington Post)

53 Kommentare zu “Israel in der Doppelmühle

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  7. N(I)EBEL-bombe, – so sieht der neuere deutsche Chauvinismus aus, – der geschichts-gelernte …

    Dieser N(i)ebel-belbombenwerfer der FRIEDEN gegen ISRAEL-Bewegung als gesamtdeutsches Voraus-Torpedo gegen die Islamnazi-Hafen-Blockade hat uns noch gefehlt… Wie
    verständnisvoll-einfühlsam doch von diesem gelernten Judenfreund mit Kibbzsaufenthalt nach dem gerade erst abgeführten , Bundestags-unterstützten LINKpartei-Komando, – dieser internationalen und tü(r)kisch geführten Provokation in Zusammenarbeit von Islamisten, türk. Hitlerverehrern, Djihadisten & der pax“christlichen“ Hamasunterstützergruppe, deren (Mit-)Leiter vor Jahr10ten als Sprengstoff- & Munitransporteur an die judenfeindlichen Araber, gen. unterdrückte Palästinenser, berühmt wurde !

    Um so schlimmer, wenn in „internationalen Gewässern“ die Internationalen eine solch antisemitsch-antizionistische Armada zulassen und wie üblich – samt german TV – eine montlg. vorbereitete Anti-ISRAEL-Kampagne mit jahrzehntelanger geschichtsverdrehten Unterfütterung, längst nicht nur von Extremisten, sondern bis in die Kirchen und die CDU hinein, nicht verhindern, kritisieren, sondern oft auch noch fördern und jetzt auch als Teil der bundestag-(UN-)tauglichen Politik rechtfertigen.
    – Da fehlt nur noch die NATO- bzw. türkische Kanonenboot-Intervention oder – was viel spannender wäre – ein „ziviles“ „Hilfs“schiff mit ERDOGAN als Leitfigur, die ständig ruft „Assimilation ist ein Menschheitsverbrechen“, „Töten könnt Ihr Juden gut“ und „Moslems begehen definitiv keinen Massenmord und Genozid“ ( außer Ihr reizt uns dazu).
    (UN-)Heil Hamas – der NATO-Spannungsfall rückt näher !

    Zur Geschichte des antisemitischen und Nazi-islam, siehe : w.photospalestine.free.fr ; w.tellTheChildrenTheTruth.com , SCHWARZBUCH des KGB II , Arabist w.Wolfgang G. Schwanitz u. matthiasKuentzel.de ; Aufsatz w.Die große Lüge und der Medienkrieg gegen ISRAEL ( über die geheimdienstlichen und speziellen Propagandamethoden gegen den Zionismus und Juden seit etwa 1919, bzw. in Russland seit 1903, in Zusammenarbeit von Islamisten, SS und KGB )
    – Was sie meisten linken ISRAELfreunde, Henryk Broder oder auch das in mehrerlei Hinsicht super-wichtige Buch DER EWIGE SÜNDENBOCK nicht bedenken – oder wissen – ist, daß beschämenderweise die K.P.D. schon seit 1 9 2 5 – also längst vor einer entspr. KGB-Außenpolitik — in ihrer Hauptzeitung DIE ROTE FAHNE den Zionismus regelmäßig mit „Faschismus“ gleichsetzt hat, und so mit Hitlers Erklärung gleichzog, ein zukünftiger jüdischer Staat, die Bestrebung des Zionismus, sei internationales Verbrechertum !!
    – Quelle evtl bei Thomas Haury

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